Sozialkreditsystem - China

Grundlagen

Im Jahr 2014 wurde ein umfassendes elektronisches System zur Überwachung, Erfassung und Bewertung des Verhaltens von Bürgern, Behörden und Unternehmen beschlossen. Das Ziel dieses Systems ist die „Harmonisierung“ des Verhaltens entlang der politischen Ansprüche und Ideale der Kommunistischen Partei. Es dient dazu, ein normiertes Verhalten zu fördern und so das gesellschaftliche Miteinander und die wirtschaftlichen Aktivitäten im Einklang mit politischen Vorgaben zu gestalten.

Das System bewertet kontinuierlich verschiedene Aspekte der Lebenssituation einer Person, ihres Sozialverhaltens und ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten. Dabei wird auf ein permanentes Rating- und Scoring-Modell zurückgegriffen, das mithilfe von Bild- und Tonsystemen in Verbindung mit Datenbanken und Big-Data-Analysen erstellt wird. Künstliche Intelligenz spielt dabei eine entscheidende Rolle, indem sie Datenmengen effizient verarbeitet und die Bewertungen präzise anpasst.

Funktionsweise des Systems

1. Finanzielle Disziplin: Pünktliche Rückzahlung von Krediten, Vermeidung von Schulden und verantwortungsbewusster Umgang mit Geld werden positiv bewertet. Umgekehrt können verspätete Zahlungen oder Bankrott negative Auswirkungen auf den Sozialkredit haben.
2. Soziales Verhalten: Das Verhalten im öffentlichen Raum, wie beispielsweise das Einhalten von Verkehrsregeln, kann ebenfalls in die Bewertung einfließen. Menschen, die gegen Regeln verstoßen, wie das Überqueren einer Straße bei Rot, können Punkte verlieren.
3. Online-Verhalten: Die Nutzung von sozialen Medien und das Teilen von Inhalten können ebenfalls bewertet werden. Kritische Äußerungen über die Regierung oder das Teilen von als schädlich erachteten Inhalten können negative Auswirkungen auf den Sozialkredit haben.
4. Interaktionen mit anderen: Die Beziehungen zu anderen Menschen können ebenfalls in die Bewertung einfließen. Menschen, die häufig mit Personen interagieren, die einen niedrigen Sozialkredit haben, könnten ebenfalls abgewertet werden.

Ziele des Sozialkreditsystems

1. Förderung von Vertrauen: Durch die Bewertung des Verhaltens möchte die Regierung das Vertrauen in der Gesellschaft stärken. Die Idee ist, dass Menschen, die sich an Regeln halten und verantwortungsbewusst handeln, belohnt werden, während diejenigen, die gegen die Regeln verstoßen, bestraft werden.
2. Verbesserung der sozialen Ordnung: Das System soll dazu beitragen, die soziale Ordnung zu verbessern, indem es das Verhalten der Bürger reguliert. Die Regierung erhofft sich, dass die Menschen durch die Möglichkeit, Punkte zu verlieren, motiviert werden, sich an die Gesetze und Vorschriften zu halten.
3. Wirtschaftliche Stabilität: Indem das System die finanzielle Disziplin fördert, soll auch die wirtschaftliche Stabilität gefördert werden. Menschen, die verantwortungsbewusst mit Geld umgehen, werden ermutigt, Kredite zu beantragen und in die Wirtschaft zu investieren.
4. Stärkung der Kontrolle: Das Sozialkreditsystem ermöglicht es der Regierung, das Verhalten der Bürger und Unternehmen zu überwachen und zu kontrollieren. Dies kann als ein Mittel zur Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität und zur Verhinderung von Unruhen betrachtet werden.

Herausforderungen des Sozialkreditsystems

1. Privatsphäre: Eines der größten Bedenken ist die Verletzung der Privatsphäre. Die umfassende Überwachung und Datensammlung können als Eingriff in die persönliche Freiheit angesehen werden. Viele Menschen sind besorgt darüber, wie ihre Daten verwendet werden und ob sie vor Missbrauch geschützt sind.
2. Transparenz: Das System ist oft undurchsichtig, und viele Bürger wissen nicht, wie ihre Bewertungen zustande kommen. Diese mangelnde Transparenz kann zu Misstrauen gegenüber der Regierung führen und das Gefühl der Ungerechtigkeit verstärken.
3. Diskriminierung: Es besteht die Gefahr, dass Menschen aufgrund ihrer Bewertungen diskriminiert werden. Personen mit niedrigem Sozialkredit könnten Schwierigkeiten haben, Kredite zu erhalten, Wohnungen zu mieten oder sogar Reisen zu buchen. Dies könnte zu einer gesellschaftlichen Spaltung führen, in der Menschen aufgrund ihrer Bewertungen benachteiligt werden.
4. Fehlerhafte Bewertungen: Die Verwendung von Algorithmen zur Bewertung von Verhalten kann fehlerhaft sein. Falsche Daten oder Missverständnisse können zu ungerechtfertigten Abwertungen führen, die schwer zu korrigieren sind.

Ethische Implikationen des Sozialkreditsystems

Das Sozialkreditsystem steht derzeit verstärkt in der Kritik, besonders aus einer ethischen Perspektive. Die Praxis, Menschen auf Grundlage ihres Verhaltens zu bewerten und ihnen je nach Ergebnis mehr Freiheiten zu gewähren oder diese einzuschränken, erscheint in der westlichen Welt als schwer nachvollziehbar und drückend. Ein zentrales ethisches Dilemma besteht darin, dass Fehler bei der Bewertung von Individuen zu langfristigen Benachteiligungen führen können, was Ungerechtigkeit innerhalb des Systems zur Folge hat.

Zudem kann das Sozialkreditsystem als Instrument zur Ausgrenzung von Minderheiten missbraucht werden, was ebenfalls zu gravierenden ethischen Bedenken führt. Solche Praktiken werfen grundlegende Fragen zu Menschenrechten und Gleichbehandlung auf, die in einer modernen, demokratischen Gesellschaft nicht unbeachtet bleiben dürfen.